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Zerstörung von Arbeitgebermarken in der Corona Krise

24.06.2020

Seit ungefähr 4 Jahren produzieren wir auch Videos zur Mitarbeitergewinnung, sogenannte „Recruiting Videos„, dadurch habe ich viele interessante Einblicke in viele Unternehmen bekommen. Manche Unternehmen positionieren sich schon seit Jahren auch als Arbeitgebermarke, durch sogenanntes „Employer Branding“ und betreiben teils nicht unerheblichen Aufwand um von Bewerbern positiv wahrgenommen zu werden, mehr Bewerbungen zu generieren, Bewerbungsprozesse- und Onboarding zu optimieren und schlussendlich auch die Mitarbeiter zu halten.
Es entsetzt mich aktuell zu sehen, wie diese teils jahrelange Aufbauarbeit gerade innerhalb von Wochen (!) zunichte gemacht wird!
Was ich konkret meine und worin ich die Probleme sehe!
Zerstörungsphase 1: Sofort Balast abwerfen
Los ging es schon direkt zu Beginn „der Krise“ als zahlreiche Unternehmen bereits nach einer Woche in der es nicht mehr top rund lief (da waren wir von einem Lockdown noch weit entfernt) auf 100% Kurzarbeit, ohne Aufstockung gingen. Kann man machen, aber was machen Mitarbeiter die mit signifikanten Gehaltseinbußen zu Hause sitzen? Könnte vorkommen, dass diese auf Grund von Langeweile und dem finanziellen Engpass mal nach einem anderen Job suchen… Und welches Bild strahlt man als Unternehmen nach außen aber auch intern aus? Mitarbeiter realisieren, oft überrascht, dass sie direkt ein Problem haben, wenn das jeweilige Unternehmen auch nur über kurze Zeit keine perfekten Geschäfte macht. Das ist wenig attraktiv zum Bleiben und zum Anheuern schon garnicht.
Zerstörungsphase 2: Überheblichkeit
Ich habe das Gefühl, viele Unternehmen gehen aktuell davon aus, dass sich der Bewerbermarkt komplett gedreht habe und jetzt endlich wieder die Unternehmen die freie Auswahl unter den Bewerbern haben bwz. es weniger freie Stellen als Bewerber gibt. Ich denke aber, dass ist ein Trugschluss: Viele Bewerber haben schlichtweg aktuell durch Homeoffice oder Kurzarbeit endlich mal die Zeit ihren Marktwert zu testen – und wie testet man seinen Marktwert? Durch eine bzw. am besten gleich mehrere Bewerbungen. Ein Teil der vermeintlich „verfügbaren Bewerber“ ist also vielleicht garnicht dringend auf den ausgeschriebenen Job angewiesen, ja vielleicht nicht mal arbeitslos oder noch nicht mal in Kurzarbeit.

Natürlich trägt die allgemeine Verunsicherung ihr übriges dazu bei. So schauen selbst Mitarbeiter bei soliden Firmen in guten Positionen „sicherheitshalber“ mal nach einer noch sicheren Stelle oder einer noch stabileren Branche. Die vermeintlich freie Auswahl aktuell, ist daher meiner Meinung nach ein Trugschluss. Ich sehe auch Stand Heute keine Millionen verzweifelten Arbeitslosen die dringend irgendeinen Job bräuchten und bereit sind diesen zu jeden Konditionen anzunehmen.
Zerstörungsphase 3: Die Arbeitgebermarke ruinieren
Unternehmen die auf Grund dieser fehlerhaften Interpretation der Lage jetzt mit einer ungerechtfertigten Überheblichkeit auftreten, machen hier mitunter jahrelange Aufbauarbeit kaputt.

Wer Bewerber wieder ewig warten lässt oder garnicht antwortet oder gar Jobs zusagt und dann die Zusage kurzfristig doch wieder zurück zieht, bleibt mit diesem Verhalten noch auf Jahre im Gedächtnis, aber eher auf schlechte Art und Weise.

Das gleiche gilt für Unternehmen die der Meinung sind, jetzt Mitarbeiter weit unter Marktwert einkaufen zu können „wegen Corona“. Das bleibt im Gedächtnis, dem Bewerber und wer es als Unternehmen zu weit treibt wird auch schon mal Gesprächsstoff in der ein- oder anderen Videokonferenz von potenziellen Mitarbeitern und wird für lange Zeit negativ behaftet bleiben.

Der Fachkräftemangel wird langfristig bleiben und einen „short trade“ wie an der Börse, bei dem man von kurzfristigen Kurseinbrüchen profitieren kann, gibt es bei der Mitarbeitergewinnung nicht.
Disclaimer: Ich bin Unternehmer und für den freien Markt.
Durch meine Arbeit als externer Dienstleister für viele verschiedene Unternehmen sehe ich aber auch objektiv wie hoch der Bedarf an Mitarbeitern in der breiten Masse doch ist, nach wie vor und ich befürchte wirklich, dass so nachhaltige selbst herbei geführte Imageschädigungen vielen Unternehmen noch lange nachhängen werden, da reicht dein ein nettes Video nicht mehr aus um Mitarbeiter doch noch für sich zu gewinnen.